Delmenhorster Institut für Gesundheitsförderung (DIG)

Aufklärung über psychische Erkrankungen

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Wenn am kommenden Dienstag der weltweite Tag der mentalen Gesundheit begangen wird, geht es auch um Delmenhorst. Denn das hiesige Institut für Gesundheitsförderung vertritt Deutschland in einer großen Studie.

Psychische Erkrankungen seien allzu oft noch immer mit einem Stigma behaftet, sagen Linda Dervishaj und Johann Böhmann vom Delmenhorster Institut für Gesundheitsförderung. Der Verein um Böhmann, dem früheren Chefarzt der Kinderklinik am Städtischen Klinikum, hat sich der Präventionsarbeit verschrieben und sein Augenmerk dieser Tage ganz besonders auf die mentalen Probleme gelenkt, die mitunter lieber unter den Teppich gekehrt, als offen angesprochen werden. Dervishaj und Böhmann gehen nach Statistiken davon aus, dass mehr als 3000 Kinder in Delmenhorst jener Eltern mit psychischen Erkrankungen seien. Und dies nicht offen anzusprechen, werde den Kindern nicht gerecht: „Die Kinder psychisch kranker Eltern stehen im Regen“, sagt Böhmann. Denn das deutsche Gesundheitssystem würde seine Stärken vor allem dann zeigen, wenn man sich laut bemerkbar macht. Doch Depressionen und Angststörungen zeigen sich besonders durch ihr leises Erscheinen.

Gemeinsam arbeiten die beiden im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) an einer internationalen Studie mit 21 teilnehmenden Staaten. Dabei geht es darum, zwei als sogenannte „Beste-Praktiken“ auserkorene Modelle in Bezug auf den Umgang mit psychischen Erkrankungen aus Österreich und Belgien dahin gehend zu prüfen, ob man in Deutschland auch so verfahren könne. Denn die Gesundheitssysteme sind im internationalen Vergleich auf so vielen Ebenen verschieden, dass selbst kleine Anpassungen einem Paradigmenwechsel gleichkommen, sämtliche Praxis also über den Haufen geworfen werden müsste. Dabei gehe es nur im letzten Schritt um die alltägliche Arbeit von Psychotherapeuten und Psychiatern, sondern zunächst um rechtliche Fragen. In Belgien gebe es ein umfassendes System aufsuchender Pflege für psychisch Erkrankte nach dem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Eigentlich ein simpler Gedanke – könnte man meinen, denn Pflegedienste für körperlich eingeschränkte Personen gibt es in Deutschland ja zuhauf.

Ausweg aus der "Drehtür-Psychiatrie"

„Wir haben derzeit eine Drehtür-Psychiatrie“, sagt Böhmann. So würden Patienten zwar mitunter stationär aufgenommen, beobachtet, behandelt und medikamentös eingestellt, doch dann wieder auf eigene Beine entlassen. Aber weil Betroffene die Kliniken nicht als vollkommen geheilt verlassen würden, bräuchte es Fürsorge und Beobachtung in der ersten Zeit zu Hause. Mitunter fangen diese Arbeit Familien auf, doch sei dies einerseits nicht immer der Fall und andererseits berge dies auch die Gefahr, dass Familienmitglieder ob der nötigen Anstrengung selbst krank würden.

Dervishaj weiß aus Studien, dass das unentschuldigte Fernbleiben vom Schulunterricht, der sogenannte Schulabsentismus, häufig auf Angststörungen der Mütter zurückzuführen sei. Hier müsste in Dervishajs Augen angesetzt werden. Denn: „Kinder sind immer die schwächsten Glieder in der Kette“, sagt Böhmann. In der Behandlung von Suchtproblemen nehme man bereits seit Jahrzehnten das Augenmerk auf die Kinder der eigentlich Betroffenen. Denn gerade dann, wenn Eltern aufgrund eigener Probleme nicht umfänglich für ihre Kinder da sein können, müsse das soziale Netz greifen. Diese Erfahrungen auch auf psychische Erkrankungen zu erweitern, müsse demnach das Ziel sein.

Aufmerksamkeit in der Innenstadt

Jedes Jahr am 10. Oktober begeht die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO, „World Health Organization“) den Tag der psychischen Gesundheit, den „Mental Health Day“. Diesen Tag wollen Dervishaj und Böhmann nutzen und in der Fußgängerzone der Innenstadt auf die mannigfaltigen Facetten psychischer Probleme hinweisen. Und das so, dass über einem nicht gleich ein ganzer Gewitterschauer herunterbricht, sondern mit der recht einfachen Frage: „Wie fühlen Sie sich in diesem Moment?“. Aus vier Antwortmöglichkeiten können die Passanten dann anschließend wählen und auf den entsprechenden Buzzer drücken. Weil die jeweilige Wahl gespeichert wird, erhoffen sich Böhmann und Dervishaj gleichzeitig ein maximal anonymisiertes Stimmungsbild, denn außer der Häufigkeit der angewählten Buzzer werde nichts gezählt und gespeichert.