- 23.04.2024
- Delmenhorster Kreisblatt
- Marco Julius
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Im Bund ist die Idee Gesundheitskiosk fast vom Tisch. Die angestrebte Gesetzesgrundlage ist in der Ampel gescheitert. Auch für Delmenhorst sei das fatal, sagt Dr. Johann Böhmann vom Delmenhorster Institut für Gesundheitsförderung.
Die Notaufnahme des Delme Klinikums Delmenhorst: oft stark frequentiert und das zuweilen von Menschen, die dort gar nicht richtig aufgehoben sind. Die Hausärzte in Delmenhorst: oft überlastet. Es fehlt schlichtweg an Ärzten und an Praxen. Auch deshalb hat die Stadt Delmenhorst darauf gesetzt, einen Gesundheitskiosk einrichten zu können. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollte diese Kioske bundesweit flächendeckend an den Start bringen. 1000 waren in einer Gesetzesinitiative vorgesehen. So sollte eine Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung als wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge gelingen. Die Hauptaufgabe laut Bundesgesundheitsministerium: „Den Zugang zur Versorgung der Patientinnen und Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf zu verbessern und die Versorgung zu koordinieren.“ Die Kioske sollten insbesondere in sozial benachteiligten Regionen und Stadtteilen niedrigschwellige Beratung anbieten. Doch zumindest die flächendeckende Einrichtung ist jetzt vom Tisch. Lauterbach hat in der Ampelkoalition nicht den nötigen Rückhalt gefunden.
Böhmann kritisiert Entscheidung
Dr. Johann Böhmann vom Delmenhorster Institut für Gesundheitsförderung (DIG) bedauert und kritisiert diese Entscheidung auf Bundesebene. Er hat, gemeinsam mit der SPD-Ratsfraktion, wesentlichen Anteil daran gehabt, dass es seit Dezember 2022 einen Ratsbeschluss gibt, der die Einrichtung eines Gesundheitskiosks in Delmenhorst vorsieht. Böhmann, ehemaliger Leiter der Delmenhorster Kinderklinik, bezeichnet den Gesundheitskiosk als „Tafel“ für das Gesundheitssystem. Während sich die „Tafel“ um Lebensmittel für Bedürftige kümmert, soll sich der Kiosk, ein Name, den Böhmann im Gegensatz zur dahinterstehenden Idee nicht gut gewählt sieht, um die gesundheitliche Versorgung kümmern. Er soll eine Anlaufstelle für die Erstberatung sowie für die Vermittlung medizinischer Versorgung sein. Ohne Arzt, aber mit Fachpersonal aus der Pflege.
„Enormer Rückschlag für unser Gesundheitssystem“
„Dass die Idee jetzt aufgrund von Klientelpolitik wegen Bedenken der FDP und von Hausärzten bundesweit gekippt werden soll, ist ein enormer Rückschlag für unser Gesundheitssystem“, sagt Böhmann. Er wirbt weiter für die Gesundheitskioske. Rund 80.000 Euro für den laufenden Betrieb seien pro Jahr notwendig seitens der Stadt. „Eine verhältnismäßig kleine Summer im Vergleich zum großen Nutzen“, sagt der Mediziner. Der Großteil des Geldes käme von den Krankenkassen. Die gesetzliche Krankenversicherung sollte laut Lauterbach verpflichtend 74,5 Prozent der Gesamtkosten, die private Krankenversicherung 5,5 Prozent und die Kommunen 20 Prozent der Gesamtkosten tragen. Warum sich Hausärzte gegen die Einrichtung der Kioske sträuben, erschließt sich Böhmann nicht. „Für mich ist das keine Konkurrenz, sondern ein Angebot, dass es auch den Praxen leichter machen würde.“ 18 Hausarztstellen fehlen laut Böhmann allein in Delmenhorst. „Es gibt längst Zugzwang“, sagt er. „Wir müssen den Bedarf kurzfristig anders decken. Wer sich verantwortlich fühlt, muss nach Lösungen suchen. Und der Gesundheitskiosk wäre eine passgenaue.“
Stadt Delmenhorst wartet auf Nachrichten
In Hamburg, wo der Gesundheitskiosk „erfunden“ wurde, habe man gute Erfahrungen gemacht. Erfahrungen, auf die sich aufbauen lasse. Das sieht man auch in der Stadtverwaltung so. „Grundsätzlich halten wir die Idee Gesundheitskiosk weiterhin für sinnvoll und gut. Eine gesetzliche Regelung hätte die Einführung für uns vereinfacht“, sagt Hero Mennebäck, Fachbereichsleiter Soziales und Gesundheit. Aktuell warte man noch auf offizielle Mitteilungen aus dem Bundesgesundheitsministerium, um zu sehen, ob und wie es weitergehen könnte. Vielleicht gäbe es doch noch andere Nachrichten aus Berlin. Böhmann fordert bereits, den Gesundheitskiosk in Delmenhorst notfalls auch ohne Unterstützung aus dem Bund umzusetzen. „Wir schauen jetzt step by step“, sagt Mennebäck.