Delmenhorster Institut für Gesundheitsförderung (DIG)

Fünf Jahre Hebammenzentrale: Aus Mängelverwaltung wird ein Erfolgsmodell

HZ

Eigentlich war sie aus der Not geboren – und wurde ein Erfolgsmodell: Die Hebammenzentrale Delmenhorst/Oldenburg-Land besteht seit fünf Jahren. Was gut läuft, und was noch fehlt.

Neben Glück und freudiger Erwartung bedeutet eine Schwangerschaft vor allem viel Stress für Körper und Psyche. Hebammen sollen dabei helfen – wenn man denn eine findet. Weil das nicht für alle Frauen leicht ist, gibt es seit fünf Jahren die Hebammenzentrale Delmenhorst/Oldenburg-Land. Die trat an, einen Mangel zu verwalten. Und wurde ein Erfolgsprojekt. Und das soll künftig größere Dimensionen haben.

Es gibt Lücken in der flächendeckenden Versorgung mit Hebammen. Deshalb sei es von Anfang an darum gegangen, „die Lücken, die entstanden sind, zu verkleinern“. So beschreibt es Dr. Johann Böhmann, der Geschäftsführer des Delmenhorster Instituts für Gesundheitsförderung. Letztlich müsse Mangel verwaltet werden. Die Hebammenzentrale, die vor fünf Jahren gegründet wurde, vernetzt die Hebammen der Region, vermittelt Schwangere an Hebammen und nimmt damit den Fachfrauen eine große Last der Vermittlung und Verwaltung ab.

Stress, Depressionen und Frühgeburten vorbeugen

Die Suche nach einer Hebamme sei nicht bei allen Frauen ein Problem. Viele seien gut vernetzt und finden über Freundeskreise einen passenden Kontakt. Das Netzwerk hätten aber viele Frauen eben nicht, beispielsweise durch Sprachbarrieren oder fehlende soziale Kontakte. Sie können sich an die Hebammenzentrale wenden. Und der Erfolg des Projektes: „Knapp 90 Prozent der Frauen können wir vermitteln.“ Das beuge dann Stress vor, Depressionen oder Frühgeburten, ist Böhmann überzeugt. „Ein unheimlich positiver Effekt.“

Austausch auch mit anderen Zentralen

Ulrike Wellborg, koordinierende Hebamme der Hebammenzentrale, fasst knapp zusammen, was in dem Netzwerk geschieht: Gut geordnete und aktualisierte Kurzprofile der Hebammen der Region zeigen, was angeboten wird; die Koordination und Vermittlung verläuft geordnet ab; sie pflegen gute Kontakte zu den Hebammen und veranstalten Fortbildungen; jede Frau, die anruft, wird zurückgerufen, um ihren Bedarf zu klären. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir auch immer mehr Kontakt zu anderen Hebammen-Zentralen im Land aufgebaut“, erklärt sie. Im Austausch mit ihnen entstehen dann auch Überlegungen, wie beispielsweise eine Bereitschaft der Zentralen oder eine telefonische Versorgung eingerichtet werden kann.

Dabei wären die Vergütungen zumindest in diesen Beispielen sehr gering: 30 Euro für eine Bereitschaft, 10 Euro für eine Stunde Telefonberatung. Viel zu wenig. Böhmann ist das klar: „Die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden“, sagt er, weshalb er auf die politische Entwicklung hofft.

Kommunen springen in die Bresche

Böhmann sagt: „Es ist in der Situation toll, dass die Kommunen in die Bresche springen!“ Die Hebammenzentrale kostet rund 50.000 Euro im Jahr, davon werden 20.000 von der Stadt Delmenhorst übernommen und 30.000 vom Landkreis Oldenburg. Denn in den Kommunen sei auf lokaler Ebene durchgesetzt worden, die Vermittlung von Hebammen zu unterstützen. Hier müssten letztendlich auch die Krankenkassen mit ins Boot. Denn eine Versorgung mit Hebammen sei eine gesetzliche Pflicht und müsse auch von denen in Anspruch genommen werden können, die auf eigene Faust keine Hebamme finden können. „Man kann die Frauen nicht im Regen stehen lassen, vor allem nicht die, die keinen Schirm haben.“

Rund 300 Anrufe im Jahr

In den vergangenen Jahren riefen pro Jahr rund 300 Frauen bei der Hebammenzentrale an – Ausnahme war das Jahr 2021 mit „nur“ 205 Kontakten. Sie kommen etwa je zur Hälfte aus Delmenhorst und dem Landkreis, mit leichtem Übergewicht bei Delmenhorst. Im Landkreis stammen die Kontakte vor allem aus Ganderkesee, Hude und Wildeshausen.

Die ganze Wucht der Arbeitsrealität der Frauen

Hebammen-Koordinatorin Susanne Kaina macht deutlich: „Für mich persönlich kann das nur etwas Übergängliches sein“ – denn künftig müsse eine flächendeckende Vermittlung und Verteilung von Hebammen her. Dabei leide der ganze Berufszweig unter „der ganzen Wucht der Arbeitsrealität von Frauen“, denn Hebammen rekrutieren sich fast ausschließlich aus Frauen. Auch sie bekommen Kinder, und ihre Arbeit wird eingeschränkt von familiären Pflege- und Organisationsaufgaben (der „Care-Arbeit“) oder langen Elternzeit-Perioden, solange sich Männer in der Gesellschaft nicht im gleichen Maße bei Elternzeit oder Care-Arbeit einbinden wie Frauen. Daraus folgen beispielsweise viele Teilzeit-Arbeitsmodelle.

„Wir brauchen doppelt so viele Hebammen“

Ein Lichtblick sei derzeit, dass der Beruf der Hebamme durch neuere Regelungen ein Studium ist und sie dort besser auf einige Belange des Berufs vorbereitet werden. Das erste Kontingent der Frauen, die dieses Studium abgeschlossen haben, sei nun im Markt und festige sich in Krankenhäusern. Die 38 Hebammen der Hebammenzentrale schauen mit Spannung auf diese Entwicklung. Die Familienhebamme des Landkreises Birgitta Oltmanns meint: „Wenn ich auf die Zahlen schaue, die wir bei den Beratungen haben, muss ich sagen, wir brauchen doppelt so viele Hebammen.“ Das wäre noch ein weiter Weg.

Es gibt noch Potenzial für Weiteres

Rückendeckung zumindest von den Kommunen haben die Hebammen weiterhin: Andreas Müller, Leiter des Gesundheitsamtes im Landkreis, und Dr. Julia Steitz-Matiszick, Leiterin des Fachdienstes Gesundheit der Stadt Delmenhorst, betonen, dass sie die Hebammenzentrale für ein Erfolgsprojekt halten, das sich auch weiterentwickeln sollte. Böhmann, der die Hebammenzentrale von Anfang an bei der Entwicklung begleitet hat, hätte da Ideen: Neben der Finanzierung durch Krankenkassen solle auch laut überlegt werden, dass mobile Hebammen-Teams finanziert werden sollten, die im Bedarfsfall zu den schwangeren Frauen kommen können.